Was ist Rollenspiel? 1

Was ist Liverollenspiel?


Kurz gesagt: Ein Live-Rollenspiel ist eine Mischung aus Improvisationstheater, Karneval und „Räuber und Gendarme“-Spielen.
Die Mitspieler übernehmen die Rollen von imaginären Charakteren, und für einen gewissen Zeitraum spielen sie diese Rollen dann aus. Im Gegensatz zu einem normalen Theaterstück gibt es allerdings im Live-Rollenspiel kein festes Drehbuch, sondern die Spieler entscheiden selber, was sie in der Rolle ihres jeweiligen Charakters machen wollen, und setzen das dann auch in die Tat um.
Was die Ziele jeden einzelnen Charakters sind, wird durch den Hintergrund des Charakters festgelegt, den jeder Spieler sich, im allgemeinen gemeinsam mit der Spielleitung ausdenkt. So kann es zum Beispiel einen Charakter geben, der Künstler ist, und seine Werke gerne veröffentlicht sehen möchte. Da er selber nicht über die notwendigen Mittel verfügt, wird er sich wahrscheinlich im Spiel an einen anderen Charakter wenden, der zum Beispiel ein reicher Geschäftsmann ist und versuchen, diesen davon zu überzeugen, seine Kunst zu fördern. Der Geschäftsmann wiederum hat vielleicht ein Interesse daran, gewissen sozialen Gruppen aufzufallen und wie besser, als durch die Förderung eines Künstlers? Schon haben die beiden Charaktere so etwas wie ein gemeinsames Ziel, auf das sie hinarbeiten können.
Andere Charaktere mögen ganz andere Ziele verfolgen. So könnte zum Beispiel der Künstler einem anderen Charakter, der vielleicht mal über seine Kunst gelästert hat, oder dem Künstler geschadet hat, dieses heimzahlen wollen. Zu diesem Zweck versucht er vielleicht, dessen Ruf zu schaden, indem er Gerüchte über ihn verbreitet oder vielleicht kommt er auch noch auf ganz andere Ideen.
Zusätzlich zu den persönlichen Zielen, die jeden einzelnen Charakter motivieren, gibt es dann immer noch sogenannte Plots (Handlungsstränge), die von der Spielleitung angeregt werden.
Die Spielleitung in einem Live-Rollenspiel ist gleichzeitig Drehbuchautor, Regie und Richter. Sie steht normalerweise außerhalb des Geschehens, ist aber notwendig um bei Konflikten zu vermitteln, Plots anzuregen und die Rollen von NSC’s (Nicht Spieler Charakteren) zu übernehmen. NSC sind diejenigen Charaktere, die nicht von einem Spieler gespielt werden, aber trotzdem im Spiel auftauchen müssen. Vergleichbar vielleicht mit Nebenrollen in einem Film oder Theaterstück.
Außer seinem Hintergrund verfügt jeder Charakter noch über einige Werte, die festlegen, was der Charakter (im Gegensatz zu dem Spieler) kann. Regelsysteme legen dann fest, wie gut oder schlecht ein Charakter in etwas ist, und wie hoch seine Erfolgschancen sind, wenn er etwas unternimmt. Hier gibt es oft noch einen gewissen Zufallsfaktor.
Hierbei ist es wichtig, die Unterscheidung zwischen dem Spieler und dem Charakter zu treffen. Während eines Live-Rollenspiels schlüpft ein Spieler völlig in die Rolle seines Charakters. Er verkleidet sich entsprechend, redet und agiert als sein Charakter, und versucht, innerhalb des Spiels, die Ziele seines Charakters durchzusetzen. Dennoch ist das alles nur ein Spiel und alles findet gewissermaßen in einer virtuellen Welt statt, die hauptsächlich in der Fantasie der Mitspieler existiert. Oft unterscheidet sich die Rolle eines Spielers, also sein Charakter, sehr von dem, was der Spieler im normalen Leben ist. Schließlich ist Rollenspiel eine Möglichkeit, mal den normalen Alltag hinter sich zu lassen, und in eine andere Rolle zu schlüpfen.

Wie nun so ein Spiel konkret abläuft, lässt sich vielleicht am Besten durch ein einfaches Beispiel demonstrieren:
Wir haben drei Charaktere: Der eine ist ein Künstler, der zwar sehr talentiert ist, aber bisher ein wenig Pech damit gehabt hat, seine Kunst (abstrakte Bilder) an den Mann zu bringen. Es mangelt ihm hier vor allem an dem notwendigen Geld.
Der zweite Charakter ist ein reicher Geschäftsmann, der vor allem daran interessiert ist, sein Vermögen zu vergrößern. Er versucht aber derzeit auch, in einen besonderen Club aufgenommen zu werden, um die Gelegenheit dort einflussreiche Geschäftspartner zu treffen nutzen zu können. Dieser Club gibt sich elitär und einfach nur reich zu sein ist im allgemeinen nicht genug, um aufgenommen zu werden, ein kulturelles Engagement könnte aber weiterhelfen.
Der dritte Charakter ist ein Privatdetektiv der aus persönlichen Gründen ziemlich sauer auf den Geschäftsmann ist, da dieser in der Vergangenheit dafür gesorgt hatte, dass die Schwester des Detektivs ihren Job verlor. Dem Geschäftsmann ist allerdings dieser Verwandtschaftsgrad nicht bekannt, er weiß daher noch nichts von der Antiphatie des Detektivs.
Diese drei Personen kommen nun zusammen, da der Künstler den Geschäftsmann zu einem Treffen eingeladen hat, bei dem er hofft, ihn von der Qualität seiner Bilder überzeugen zu können. Der Detektiv hat davon erfahren und sich auch, unter dem Vorwand des Kunstinteresses, zu diesem Treffen eingeladen.
Soviel zu der Vorgeschichte, die von den Spielern und der Spielleitung vorher abgesprochen wurde oder sich aus etwaigen früheren Treffen ergeben hat. Nun erscheinen die Spieler zum vereinbarten Termin in der Rolle ihres Charakters, also entsprechend verkleidet, in der Werkstatt des Künstlers (tatsächlich ein Hobbyraum im Haus eines der Spieler, der mit ein paar Bildern und anderen Dekorationsgegenständen zu einem Atelier umdekoriert wurde).
Die Spieler werden nun aktiv, indem der Künstler versucht, dem Geschäftsmann eine Förderung seiner Kunst schmackhaft zu machen. Der Detektiv wartet zunächst nur ab, hört zu und wartet auf eine Chance, seine Rachegelüste umzusetzen.
Neben den Aktivitäten, die die Spieler ganz von alleine entwickeln, hat die Spielleitung natürlich auch noch einen zusätzlichen, von außen angeregten Handlungsstrang geplant: So soll es einige Tage zuvor einen Juwelenraub gegeben haben. Ohne dass einer der Spieler davon weiß, hat die Spielleitung nun festgelegt, dass der Juwelendieb den Schmuck in der Werkstatt des Künstlers versteckt hatte. Ausgerechnet heute will der Dieb seine Beute nun abholen (Der Dieb ist eine NSC Rolle, die von der Spielleitung übernommen wird).
Im Laufe des Abends entdeckt nun der Detektiv zufällig das versteckte Diebesgut und erkennt es auch aus den Presseberichten (Die Spielleitung teilt ihm das mit, als er den Schmuck, dargestellt durch einen Beutel voller Straßsteine, findet). Der Charakter sieht sofort die Chance, hier seinem Rivalen Ärger zu machen und schmuggelt das Diebesgut in dessen Jackentasche (Hier werden die Regeln zu Hilfe genommen, um festzustellen, ob ihm das auch unbemerkt gelingt).
Während er noch überlegt, wie er nun am besten der Polizei einen Tipp geben kann, taucht der tatsächliche Dieb auf, der sich ebenfalls als Kunstfreund ausgibt um seine Beute zurückzuerlangen. Natürlich merkt dieser bald, dass sie nicht mehr da ist. Er verdächtigt den Künstler und lockt diesen in eine unbeobachtete Ecke um ihn zu überwältigen (auch hier wird durch regeltechnische Maßnahmen festgestellt, ob das klappt. Es findet natürlich nicht wirklich ein Handgemenge statt, schließlich will sich keiner der Mitspieler verletzen. So hat je nach den verwendeten Regeln jeder Charakter einen Wert der seine Fähigkeit im Nahkampf darstellt, und wenn hier der Dieb viel besser ist als der Künstler, dann kann dieser nicht sehr viel dagegen tun.) und nach dem Verbleib des Schmuckes zu befragen.
Mittlerweile hat der Geschäftsmann in seinen Taschen den Schmuck entdeckt, ebenfalls erkannt und wird nervös. Er kann sich derzeit auf keinen Fall irgendwelchen Ärger mit der Polizei leisten, und überlegt jetzt krampfhaft, wie er das Zeug wieder los wird, und vor Allem, wie er wohl daran gekommen ist. Gleichzeitig ist natürlich beiden noch anwesenden Leuten aufgefallen, daß ihr Gastgeber verschwunden ist. Der Privatdetektiv will die Polizei alarmieren, der Geschäftsmann lieber nicht. Gleichzeitig will keiner von beiden sich verraten.
Spätestens von diesem Zeitpunkt an, hängt der Ausgang des Geschehens völlig von den Aktionen der Spieler ab. Gelingt es dem Künstler, seinen Entführer davon zu überzeugen, daß er wirklich nichts von irgendwelchem Schmuck weiß? Wie wird die Geschichte ausgehen, wenn der Dieb versucht, die anderen Beiden auch zu überwältigen, und werden diese die Polizei rufen oder selber etwas unternehmen? Und werden letztendlich die Charaktere auch ihre persönlichen Ziele umsetzen können? Das alles liegt nun in der Hand der Spieler. Die Spielleitung hat die Handlung nur in Gang gebracht, und steht jetzt bereit, eventuelle Fragen oder Konflikte zu klären oder im Zweifelsfall noch weitere NSC-Rollen (z.B. die eines Polizisten) zu übernehmen, aber die Initiative liegt bei den Spielern. Sie alleine bestimmen durch die Handlungen, die sie als ihre Charaktere unternehmen, wie das Drama weitergeht.
Das ist Live-Rollenspiel.
In den meisten Fällen hat man nun noch mehr als drei Charaktere, so dass sich noch ganz andere, und viel komplexere Interaktionen ergeben, und im allgemeinen spielt auch ein Spieler denselben Charakter immer wieder, so dass sich im Laufe der Zeit noch viele Freundschaften oder auch Feindschaften entwickeln können und sozusagen eine potentiell endlose Soap Opera mit vielen Kapiteln entsteht.

Der Reiz an der ganzen Sache ist es halt, mal für einen gewissen Zeitraum in eine ganz andere Rolle zu schlüpfen und das zu sein und auszuspielen, was man im normalen Leben nicht haben kann.
Bei dem Vampire Live-Rollenspiel übernehmen die Spieler die Rollen von Vampiren, also fiktionalen Wesen. Diese Vampire leben in der normalen menschlichen Gesellschaft unserer Zeit, halten sich allerdings vor den Menschen verborgen. Sie tendieren dazu, sich vor allem mit anderen Vampiren zu treffen. Innerhalb der Vampirgesellschaft zählt Macht und Status sehr viel, und daher sind die Vampire ständig damit beschäftigt, ihr Ansehen innerhalb der vampirischen Gesellschaft zu steigern. Gleichzeitig müssen sie sich natürlich mit verschiedenen anderen Problemen befassen: Sie können tagsüber nicht raus, was es schwierig macht, in der menschlichen Gesellschaft die oftmals wichtigen geschäftlichen und politischen Kontakte zu pflegen. Sie müssen sich vor den Menschen verbergen, die nicht erfahren dürfen, dass es sie gibt, sie müssen sich gegen Feinde verteidigen, von denen es gar nicht so wenige gibt, und vieles, vieles mehr. Das (Un-)Leben eines Vampirs ist alles andere als langweilig und bietet dadurch reichlich Themen für das Live-Rollenspiel.
Ein wichtiger Punkt, den man im Zusammenhang mit dem Live-Rollenspiel immer beachten sollte ist, dass es sich hier um erfundene Geschichten handelt. Selbst wenn die Charaktere vielleicht auf der Basis real existierender Menschen geschaffen wurden, und selbst wenn im Spiel auf Ereignisse in der realen Welt eingegangen wird, so ist doch alles was im Live-Rollenspiel passiert pure Fiktion. Es ist sozusagen eine lange, komplexe Geschichte, die sich alle Spieler und die Spielleitung zusammen ausdenken und ausspielen, aber egal was passiert, es ist und bleibt eine erfundene Geschichte.
Live-Rollenspiel hat nichts mit Okkultismus oder Sekten zu tun, egal, was manche Medien behaupten mögen. Es ist eine kreative, soziale Freizeitbeschäftigung, sonst nichts.

©Dieser Artikel stammt noch aus Chronik 1 oder aus GboD Zeit und ist von der Domäne Dortmund verfasst.


Seitenanfang


Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.