Der Prinz hatte in sein Haus geladen, um Hof zu halten. Mehr war der schlichten Einladung des Ventrue nicht zu entnehmen und dennoch (oder genau deswegen?) folgte fast die gesamte Domäne seinem Ruf. Und so wurde es teilweise reichlich eng in dem Häuschen mit der typisch ostwestfälischen Bauweise. Ein Fegefeuer der Eitelkeiten begann langsam aber sicher seine Glut ans Licht des vollen Mondes zu brennen, denn MzB hatte zu Bewerbungen um den vakanten Prinzregentenposten bis zum heutigen Tage aufgerufen. Auch gedachte er, sich der Probleme und Problemchen der einzelnen Kainskinder seiner Domäne zu widmen, indem er ihnen in Audienzen Gehör schenkte, die er dann direkt dazu nutzen konnte, noch ausstehende Dinge zu klären, die ihm bereits einige Zeit unter den Nägeln brannten.
Schnell spaltete sich die Gesellschaft in zwei Gruppen. Die eine, die im Nebenzimmer saß und sich ungezwungen und fern der Audienzen unterhalten wollte, die andere nah beim Prinzen, um seine mehr oder minder öffentlichen Gespräche verfolgen und kommentieren zu können. Böse Zungen könnten behaupten, dass sich in diesen Gruppen die wieder einmal heiß diskutierte, aber nicht überall gern gesehene Unterscheidung in Patrizier- und Plebejer-Clans zeigte.
Die wenigsten Audienzen drehten sich um Dinge, die den Prinzen erfreuten und so wurde seine Laune zusehends schlechter, so dass er im Verlauf des Abend kurzerhand seinen beiden Ghulen befahl, dem Ventrue Suredin und dem Nosferatu Lane als Strafe für zu lautes Reden in seiner Gegenwart und dem nicht sofortigen Entschuldigen für eben jenes in die Knie zu schießen, auf dass diese vor ihm kniend ihre Entschuldigung vorbringen könnten. Entsetzen über diese anscheinende Willkür breitete sich aus, wurde jedoch nie laut vorgetragen.
Nach den Audienzen verkündete der Prinz, dass er nun diejenigen eine Anklage gegen die Toreador-Ahnin Katharina von Habsburg formulieren und vortragen lassen würde, sie sich bei ihm um das Amt des Prinzregenten bewerben würden. Von dieser Nachricht offensichtlich sehr aufgewühlt, verließ die Toreador Anastasia Krieger überstürzt das Treffen. Die nun folgenden Anklagen wurden vorgetragen von dem Malkavianer-Primogen Johannes Gundlach, der Primogen der Toreador Tara Defolg, dem Primogen der Ventrue Ismail Suredin, der Primogen der Brujah Dr. Jaqueline Brown und dem Tremere Benjamin Franke, der dies im Auftrag seiner abwesenden Primogen Asita bint Muley tat. Die letzte Anklage war gerade verklungen und der Prinz befragte den Primogen der Nosferatu Richard Lane ob einiger Unstimmigkeiten, als die Tür aufschwang und die totgeglaubte Tatjana Wolff das Haus betrat, den Prinzen begrüßte und ihrerseits eine Anklage gegen die Toreador-Ahnin Katharina von Habsburg aussprach, und dem sichtlich um Contenance bemühten Prinzen ihre „Bewerbung“ für ihren alten Posten vorlegte.
Auf ihre lange Abwesenheit und die Gerüchte bezüglich ihres Todes antwortete sie ungewohnt wortkarg mit der Begründung, dass sie bis vor wenigen Tagen gebraucht habe, um sich von dem Angriff des Attentäters zu erholen und diese Zeit in Sicherheit außerhalb der Domäne verbracht habe, um dem Attentäter keine weitere Chance zu geben, auch wenn er es augenscheinlich auf Rick abgesehen habe. Die meiste Zeit des Abends tat sie so, als ob sie die fragenden Blicke und das Getuschel hinter ihrem Rücken nicht bemerken würde und nur, wer sie direkt ansprach, wurde mit der einen oder anderen ausführlicheren Antwort bedacht.
Im Verlauf des weiteren Abends echauffierte sich der Prinz darüber, dass wohl irgendjemand der Anwesenden einen seiner Ghule beeinflusst haben musste, wirkte dieser doch entgegen sonstigen Benehmens unkonzentriert und fahrig. Schnell wurde eine Schuldige gefunden. Die Toreador Tessa von Hildburghausen, hieß es, habe unbewusst mit ihren Reizen die Aufmerksamkeit des jungen Mannes auf sich gezogen und ihn so zur Pflichtvergessenheit animiert. Dies werde nicht ohne Bestrafung vonstatten gehen. Und so verhängte der Prinz 24 Peitschenhiebe – ausgeführt von seiner Geissel Erich Rabe – über die Toreador, die diese Strafe erstaunlich gefasst über sich ergehen ließ. Doch noch war der Zorn des Prinzen nicht besänftigt und so verhängte er weitere Auspeitschungen gegen diejenigen, die sich während einer Unterredung nicht angemessen verhalten und ohne ersichtlichen Grund gekichert hätten. Je sechs Schläge mit der Peitsche. Auch diese Bestrafungen wurden ohne ernsthafte Widerworte gegenüber dem Prinzen hingenommen. Ein Brief der Toreador-Ancilla Henriette – vorgelesen vom Prinzen – in dem sie vom Primogen der Ventrue und ehemaligen Dux Venationis forderte, das er ihr die elf Nächte, die sie in der Gewalt des blutgejagten Nosferatu Brunn verbrachte, wie ein unfreies Kind dienen solle, nahm der Beschuldigte klaglos hin. Auch wenn er von seinem Posten als Primogen der Ventrue zurücktrat, um – wie er sagte – für das Geschehene Buße zu tun, steht die abschließende Entscheidung über das Urteil noch aus.
Für weitere Entgeisterung der Anwesenden sorgte ein Disput des Gangrel-Primogens Amar mit dem Brujah-Ahnen HenRick Nachtigall, der in einem „Duell“ der beiden mündete. Dieses gewann – wie nicht anders zu erwarten – der Ahn und Amar wurde augenscheinlich in Starre aus dem Haus getragen.
Eine weitere Anklage bildete den letzten Höhepunkt des Abends, denn Tara Defolg trat vor die Versammelten und klagte in ungewohnt fahriger Weise den Ventrue Suredin verschiedener kleinerer Vergehen gegen Clan Toreador, die Ancilla Henriette und ihre eigene Person an, die allesamt die Respektlosigkeit Suredins gegenüber anderen Mitgliedern der Domäne zum Inhalt hatten und in einem Bruch der zweiten Tradition gipfeln sollten, als dass dieser den Befehl des Prinzen zur Rettung Henriettes aus den Klauen Brunns missachtet haben solle, als er diese als „Kollateralschaden“ bezeichnete. Hierfür forderte sie 30 Tage und Nächte Pfählung Suredins als angemessene Strafe und Buße. Doch auch hierüber wurde noch nicht abschließend entschieden und so löste sich die Versammlung bald in ziemlich gedrückter Stimmung auf.